Hunde wie ich: Selbstbild und Weltbild in den autobiographischen Schriften Oskar Maria Grafs

Autor: Helmut F. Pfanner, Joachim Mohr
Rok vydání: 2002
Předmět:
Zdroj: The German Quarterly. 75:205
ISSN: 0016-8831
Popis: Mohr, Joachim. Hunde wie ich: Selbstbild und Weltbild in den autobiographischen Schriften Oskar Maria Grafs. Wurzburg: Konigshausen und Neumann, 1999. 380 pp. DM 86.00 paperback. Diese Tubinger Dissertation aus dem Jahre 1997 verdient besondere Aufmerksamkeit: furs erste liefert sie die bisher eingehendste Untersuchung zu den autobiographischen Werken Oskar Maria Grafs, sodann deckt sie die in diesen Werken eingeschriebene Grundstruktur von Grafs Welt- und Geschichtsbild auf, und schlieslich verdeutlicht sie am gegebenen Exempel die Anwendbarkeit der uber das Objekt der Untersuchung hinausreichenden literaturwissenschaftlichen Methode. Eigentlich sind es nur die zwei Bucher Wir sind Gefangene und Das Leben meiner Mutter, die Mohr ins engere Blickfeld seiner tiefsinnigen Analyse von Grafs autobiographischen Erzahlen gezogen hat. Doch erweisen gerade sie sich wegen ihrer Einbettung der personlichen Entwicklung des Protagonisten in das Geflecht des historischen Hintergrunds fur Mohrs Zwecke besonders geeignet-wobei das letztere Werk die Vor- und Nachgeschichte des auf die knapp zwei ersten Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts begrenzten Zeitraums des ersten miteinbezieht. Was namlich die beiden z.T. autobiographischen, z.T. biographischen Werke in der Sicht des Forschers verbindet, und, davon ausgehend, auch Grafs Gesamtwerk Gultigkeit verleiht, ist die zyklische Entwicklung des Autors von der Dominanz des "mutterlichen" (sprich bauerlichen, duldsamen) Lebensprinzips uber den vorubergehenden Verrat durch die Befolgung des "vaterlichen" (sprich burgerlichen, aggresiven) Prinzips zur letztendlichen Ruckkehr zum ersteren. Diese personliche Entwicklung des Autors hat eine zusatzliche Parallele in der historischen Abweichung seiner Waldenser Vorfahren von ihren pazifistischen Lebensgrundsatzen uber ihre Akzeptanz kapitalistischen Konkurrenzdenkens zu der unpolitischen Veranlagung des einfachen bayrischen Volkes. Es ist Mohrs besonderes Verdienst, dass er die sowohl synchronischen als auch diachronischen Aspekte der obigen Parallellentwicklungen in Grafs Personlichkeit und liteararischem Schaffen aufzeigt und dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der logische Schlusspunkt in der Solidarisierung des Autors mit den Opfern beider Bereiche (z.B. die Mutter und die Magd Leni in Grafs elterlicher Familie, Bauern und Arbeiter im zeitgeschichtlichen Kontext) besteht. Dass die Rechnung in Grafs Geschichtsvision eines generations- und epochenuberschreitenden "Dualismus von Oben und Unten, Herrschenden und Beherrschten" (nach Sloterdijk) allerdings nicht restlos aufgeht, kann der Verfasser mit seiner scharfsinning gefuhrten Argumentation ebenfalls nachweisen, indem er den "blinden Fleck" in Grafs Welt- und Selbstbild aufdeckt. Dieser besteht darin, dass der Autor einerseits "die Verstrickung der 'Unteren'" in "den Prozess der Macht" zu leugnen scheint und andererseits der Politik der "Oberen" mit einem gewissen Nymbus von "Mystifizierung" umgibt. …
Databáze: OpenAIRE