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Vorliegender Beitrag1 untersucht Voraussetzungen, Formen und Funktionen unzuverlassigen Erzahlens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem Steppenwolf. Wegen seiner komplizierten mise en abyme-Konstruktion – in der Theorienbildung eine bisher stiefmutterlich behandelte Form unzuverlassigen Erzahlens – bietet der Roman ein interessantes Beispiel fur narrative Unzuverlassigkeit. Unzuverlassiges Erzahlen lasst sich im Steppenwolf unter anderem anhand der doppelten Botschaft der Ironie erklaren. Diese ausert sich v.a. im „Traktat vom Steppenwolf “ durch die Ironisierung traditioneller Erzahlerwartungen: Was der Erzahler in der traditionellen Form des Traktats erwartet, wird durch paratextuelle Signale ironisch verworfen. Schon Hallers wertende Beschreibung des Traktats als ein „dunnes, schlecht, auf schlechtem Papier gedrucktes Jahrmarktsbuchlein“ die sich „nur an Verruckte“ wendet, kundigt Unzuverlassigkeit an. Eine andere pragnante Textstelle im Hinblick auf unzuverlassiges Erzahlen ist die „Hochjagd auf Automobile“, an welcher der ehemalige Pazifist Haller teilnimmt. Als eine typisch unzuverlassige Erzahlinstanz gilt hier der zwanghafte oder verruckte Monologist („mad monologist“), mit welchem Haller viele Merkmale teilt. Besonders die Ich-Fixierung des Protagonisten ist ein Kriterium, das auf zahlreiche „mad monologists“ wie auch auf Haller zutrifft. Im Gegensatz zur Neigung der Moderne zum Tendenzlos-Nutzlichen und Technisch-Okonomischen arbeitet Hesse im Steppenwolf sowie spater in der Morgenlandfahrt mit mimetisch unentscheidbarem Erzahlen, mit Widerspruchen hinsichtlich dessen, was in der erzahlten Welt als wahr anzunehmen ist. Diese Form unzuverlassigen Erzahlens gipfelt im Magischen Theater, in welchem sich die erzahlte Welt in einer Serie alternativer Versionen auflost. Unzuverlassiges Erzahlen, laut Tom Kindt eng mit der literarischen Moderne verbunden, erweist sich in vorliegendem Beitrag als ein wichtiges Stilmittel im Spatwerk Hesses. |